Die Etikette beim Ju-Jutsu

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Trotz ständiger Weiterentwicklung des Ju-Jutsu sind auch heute noch die Wurzeln in die traditionelle Kampfsysteme nicht zu verleugnen. So gibt es eine Vielzahl von Ritualen, Umgangsformen und Verhaltensweisen (Etikette), die im Kampfsport allgemein und auch im Ju-Jutsu üblich sind. Sie sind eine Möglichkeit, dem Trainingspartner, dem Trainer und der Gruppe wie auch den Trainingsinhalten Respekt zu zollen. Aus dieser anfangs äußerlichen Form kann sich für den Übenden eine innere Haltung aus Höflichkeit und Respekt entwickeln. Selbstbeherrschung, Respekt, Höflichkeit, Anerkennung, (Selbst-) Disziplin und Fairness sind universelle Werte, die jeder Sportler pflegen sollte und die gerade im Kampfsport zur Sicherheit im Training und Wettkampf beitragen.

Die 12 goldenen Regeln im Ju-Jutsu

Die Einhaltung der Etikette bedeutet eine Ordnung. Es gibt die Sicherheit eines gewohnten Ablaufes. Allerdings kommt es nicht darauf an, dass, sondern wie ich die Etikette bediene (besser: mich ihrer bediene), um meiner Haltung gegenüber den Mitschülern und Trainern Ausdruck zu verleihen.

Der Gruß (Rei) ist ein Ausdruck der Höflichkeit, des Respekts, der Aufrichtigkeit, des Vertrauens, der Verbundenheit, der Verantwortung, der gegenseitigen Achtung von Schüler und Lehrer und der Dankbarkeit für das Lehren und Lernen. Vor und nach dem Unterricht knien sich die Schüler, die sich gemäß ihrer Gürtelrangordnung in einer Reihe aufstellen, und der ihnen gegenüberstehende Lehrer hin und grüßen gemeinsam an bzw. ab (Za-Rei). Dies geschieht in „Seiza“-Sitzhaltung (im Fersensitz), zu der man sich zuerst mit dem linken Bein und dann mit dem rechten Bein abkniet (und später in umgekehrter Reihenfolge aufsteht). Dann beginnt man mit „Mokuso“ (abgeleitet von Mokusho-Zen = Zen der schweigenden Erleuchtung), einer schweigenden Meditation. Dabei werden die Augen geschlossen und der Atem wird fließen gelassen, um sich vor dem Beginn des Trainings vom Alltag abzugrenzen, sich auf das Training zu konzentrieren und sich auf das Üben einzustimmen. Ziel ist die Unterbrechung der bisherigen gedanklichen Prozesse, die Erhöhung der inneren Aufnahmebereitschaft und das geistige Einstellen auf das Kommende. Das Kommando „Yame“ beendet diese Konzentrationsphase und der höchste Schüler antwortet mit dem Gruß „Rei“ (bei Meistern: „Sensei ni rei“), worauf sich verneigt wird. Dabei werden die Hände im Dreieck auf die Matte gelegt und leicht mit der Stirn berührt, dies schließt den individuellen in sich selbst gerichteten Prozess ab.

Vor und nach einer Übung während des Trainings verneigt man sich im Stand vor seinem Trainingspartner (Ritsu-Rei), der nicht als Gegner missinterpretiert wird, um zu zeigen, dass man die Gesundheit und Würde des Partners achtet und verantwortungsbewusst und fair miteinander trainiert. Man kämpft nicht gegeneinander, sondern übt miteinander. Auch nach einem sportlichen Wettkampf wird sich aus Respekt voreinander verneigt. Ein unkorrekt ausgeführter Gruß „offenbart ein Defizit der inneren Einstellung und kann ggf. vom Gegenüber als Ausdruck der Geringschätzung empfunden werden“ (Brockers 1993, S.65).

Es ist ein Anzug zu tragen, der in der Regel aus einer weißen Baumwolljacke, einer weißen Baumwollhose und einem farbigen Gürtel besteht. Diese gleichartige, schlichte Kleidung soll die sozialen Unterschiede abschaffen und die Bescheidenheit in der äußeren Erscheinung ausdrücken. Man sollte lediglich durch sein Können und durch seine vorbildliche Haltung und nicht durch Aufnäher, Werbung oder bunte Kleidung auf sich aufmerksam machen. Der Anzug sollte in sauberem Zustand vor dem Betreten der Halle komplett mit gebundenem Gürtel angezogen sein. Durch die unterschiedlichen Farben des Gürtelrangsystems sollte es nur die Unterscheidung der Niveaus im Hinblick auf den Fortschritt der Kampfkunst geben und nicht eine Hierarchie der Wertschätzung erzeugen. Obwohl ein Training mit Höhergraduierten um des Dazulernens willen anzustreben und ein Hinweis von diesen dankbar entgegenzunehmen ist, ist ein unkritisches Bewundern von Höhergraduierten genauso zu vermeiden wie ein bevormundendes und überhebliches Verbessern gegenüber Niedriggraduierten. Der Anzug (und ggf. die Füße bzw. auch der ganze Körper) sollten frisch gewaschen sein, um den Trainingspartner bei den Übungen, die auf Körperkontakt beruhen, nicht unzumutbaren Situationen auszusetzen. Es wird barfuß trainiert und die Halle wird nicht mit Straßenschuhen, sondern mit Badelatschen o.ä. betreten. Die Finger- und Fußnägel sollten wegen der Verletzungsgefahr immer kurz geschnitten sein. Auch sind Schmuck und sonstige Gegenstände (Ketten, Armbänder, Uhren, Ringe usw.) zur eigenen Sicherheit und zur Sicherheit der Trainingspartner abzulegen. Beim Training werden keine Kaugummis gekaut oder Bonbons gelutscht. Lange Haare sollten mit einem weichen Material zusammen­gebunden werden, um sich z.B. nicht an Metallhaarspangen zu verletzen. Zum Beginn der Übungen soll pünktlich erschienen werden und beim Training selbst geselliges Gerede unterbleiben und nicht unnötig über andere Dinge gesprochen werden. Auch sind nur die Techniken zu üben, die vom Lehrer gezeigt wurden. Während der Lehrer Übungen erklärt oder zeigt, soll man still und aufmerksam den Ausführungen folgen und dabei in korrekter Haltung stehen oder knien und z.B. dabei nicht auf der Matte liegen oder die Arme verschränken. Und unabhängig von den traditionellen Wurzeln sollte das Lautlosstellen des Handys selbstverständlich sein.

Das Üben soll konzentriert erfolgen. Klopft der Trainingspartner bei der Durchführung einer Übung mehrfach mit einer Hand an seinen Körper, an den Körpers des Partners oder auf den Boden, so bedeutet dieses Abklopfen das Erreichen der Schmerzgrenze und ist vom Übenden zu beachten, zu respektieren und der angesetzte Hebel oder Griff unverzüglich zu lockern. Abklopfen bedeutet auch im Wettkampf einen sofortigen Abbruch der momentanen Situation.
Auf der Schwelle zum Dojo (Übungsraum; Do = Weg, Jo = Ort) soll sich beim Betreten oder Verlassen kurz verneigt werden. Desgleichen beim Betreten der Matte (ohne Schuhe). Damit wird bekundet, die Ordnung des Dojo und die Regeln des Budo anzuerkennen und einzuhalten, sich gänzlich auf das Training zu konzentrieren oder sich im Nachhinein für die Möglichkeit des Übens an diesem Ort zu bedanken.

Ist es nötig, vor dem Training den Übungsraum mit Matten auszulegen oder diese und sonstiges Übungsmaterial nach dem Training wieder wegzuräumen, so sollte sich jeder ohne zusätzliche Aufforderung daran beteiligen, bevor er sich um seine Privatangelegenheiten kümmert (Trinken, Duschen etc.). Beim Abbau der Matten muss insbesondere darauf geachtet werden, dass immer die schmutzigen Unterseiten aufeinander liegen und die Trainingsoberseiten aufeinander liegen.